1996 war ich für 3 Monate in Indien. Ich machte dort meine Wahlstation im Rahmen des Referendariats und habe 2 Monate in Kochi verbracht und bin einen Monat herumgereist. Ich habe mal einige Fragen, die mir immer mal wieder gestellt wurden, zusammengefasst. Es ist zwar schon ein paar Tage her, aber vielleicht doch noch mal ganz interessant. Demnächst kommt aber noch ein entsprechender Artikel über das Arbeiten in Indien heute. Es war in jedem Fall eine spannende Erfahrung die beiden Aufenthalte zu vergleichen und zu sehen, was sich verändert hat und was gleich geblieben ist.

Wie kamst Du auf die Idee, nach Indien in eine Kanzlei zu gehen?

Ich wollte einen Teil der Ausbildung im Ausland absolvieren, um einfach auch mal ein anderes System kennen zulernen, über den Tellerrand zu schauen und mal in einer anderen Kultur zu leben. Ich reise ja auch sonst sehr gern und das war für mich die Möglichkeit, beides zu verbinden.

Woher hast Du die Adresse?

Ich habe den Deutschen Anwaltsverein angeschrieben und mir eine Liste schicken lassen. Die Adresse ist: Deutscher Anwaltverein, Littenstraße 11, 10179 Berlin bzw. www.anwaltverein.de
Eine weitere Adresse wäre die Deutsche Anwaltskammer, Littenstraße 9, 10179 Berlin bzw. www.brak.de
Nebenbei, wer in Israel eine Referendarsstelle sucht, sollte mal bei Israel für Einsteiger vorbeischauen.

Wie hast Du Dich beworben?

In meinem Anschreiben habe ich etwas über mich erzählt, wann ich die Wahlstation machen möchte und warum im Ausland. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass es für die Kanzlei nicht mit Kosten verbunden ist, da mein Gehalt weiter gezahlt wird. Ich habe auch einen Lebenslauf mit Foto mitgeschickt, alles natürlich auf Englisch.

Wo warst Du genau?

Ich war bei Menon & Pai in Cochin, Kerala. Die Kanzlei vertritt indische und ausländische Mandanten. Es ist eine recht große Kanzlei mit Mandaten z.B. aus den Bereichen Steuerrecht und Arbeitsrecht. Die Anwälte sind beim High Court von Kerala zugelassen und fast nur vor diesem Gericht tätig. Ich hatte übrigens als Wahlfach Arbeitsrecht.

Wo hast Du gewohnt?

In einem Hotel, das ich mir selbst gesucht habe.

Wie sah Dein Alltag in der Kanzlei aus?

In Indien haben die Kanzleien eine 7-Tage-Woche und auch ich habe mich diesem Rhythmus unterworfen. An Werktagen waren die meisten der Anwälte von morgens bis 16 Uhr am High Court bei den Verhandlungen. Ich war einige Male mit dabei, aber es klingt spannender, als es war. Es gibt keinen Tagesplan, der besagt, dass von 09:00-11:00 X gegen Y verhandelt wird, von 11:00-13:00 P gegen Q usw.. Die Verhandlungen dauern bis ein Ergebnis gefunden wird oder vertagt werden. Entsprechend groß ist das Aufgebot an Anwälten in den Gerichtsräumen (z.T. mehr als 50!) und sie flitzen von Raum zu Raum, um zu schauen, ob ein anderer Fall eher an die Reihe kommt. Am High Court gibt es auch keine Zeugenvernehmungen, sondern irgendwo ganz weit vorn ist der Richter, der mit den Anwälten etwas aushandelt und man bekommt als Zuschauer nicht mit, worum es geht. Aber das System funktioniert irgendwie 😉

Die meiste Zeit verbrachte ich in der Kanzlei, habe mit den Anwälten über ihre Arbeit gesprochen oder einfach Gesetze gelesen. Ist schon auch ganz interessant, die Kinderschutz- oder Arbeitsschutzbestimmungen zu lesen und dann die Realität zu sehen.

Ich habe auch einiges an Urteilen gelesen, wobei die aus dem Bereich Strafrecht die interessantesten waren, denn in Indien gibt es noch die Todesstrafe und spezielle Straftatbestände, die dem Schutz junger Ehefrauen vor Mitgiftmorden dienen.
Am Wochenende wurden Mandanten empfangen und die Prozesse der nächsten Woche vorbereitet.

Einmal im Monat fährt einer der Anwälte ins Landesinnere, um zusammen mit einem Kollegen und einem Richter die Streitfälle, die sich in einem Dorf innerhalb der letzten 4 Wochen angehäuft haben, zu verhandeln. Menon & Pai vertreten Tata, eine Gesellschaft, die von Lkws bis Tee alles produziert, und da kommt schon was zusammen. Das waren auch die Highlights des Aufenthalts und ich habe bei der Gelegenheit auch den Kanzleigründer, einen alten Herrn in den 80ern kennengelernt.

Wie man sich denken kann, war der Tagesablauf nicht gerade sehr spannend und die Anwälte selbst auch etwas reserviert. Ich bin zwar mit in eine Familie zum Essen eingeladen worden, aber das war´s dann auch schon. Vor mir war ein männlicher Referendar dort und mit dem haben die Anwälte viel mehr auch privat unternommen. Ist auch vom kulturellen Hintergrund her zu sehen, denn es gab immerhin eine Anwältin in der Kanzlei, aber Frauen werden immer noch nicht so hoch angesehen.

Viel habe ich also nicht machen können und auch auf Nachfrage habe ich keine echten Aufgaben bekommen, was ich Schade fand.
Aber es war mal interessant, einen Einblick in eine uns so fremde (Arbeits-) Welt zu bekommen.

Eine Bekannte von mir war dagegen bei der Deutsch-Indischen Handelskammer in Kalkutta und hat viel mehr mitbekommen und konnte auch selbst viel mitarbeiten. Es kommt eben darauf an, wo man landet.

Wie hast Du Deinen Aufenthalt finanziert?

Ich habe alles aus eigener Tasche vorfinanziert, Flug, Unterkunft, Essen. Die ganzen Ausgaben habe ich aber über die Steuer zurückbekommen, da das Referendariat als Ausbildung gilt. Hilfreich ist da zum Nachweis ein Zeugnis über die Tätigkeit, sonst liegt der Verdacht beim Finanzamt nahe, dass das alles nur zum Vergnügen war 😉 Ein Zeugnis sollte man sich aber ohnehin in jedem Fall ausstellen lassen.

Hat es was für Deinen Job gebracht?

Auf jeden Fall ist das in der Bewerbung ein Hingucker und fällt aus dem Rahmen des Üblichen. Auslandsaufenthalte in Amerika, Frankreich, Großbritannien sind schon üblicher als Indien und man hat im Interview einiges zu erzählen. Personaler sind neugierige Leute, bin schließlich selbst in dem Metier 😉
Und, nicht zu unterschätzen, es dient auch als guter Nachweis über Sprachkenntnisse, was heute ja sehr wichtig ist.
Insoweit ja, es hat was gebracht, auch wenn ich nicht in einem internationalen Umfeld (mehr) tätig bin.

Würdest Du es noch einmal machen?

Ja, aber ich würde es kürzer machen, denn es hat sich in meinem Fall recht schnell alles wiederholt und war dann relativ öde. So muss es aber nicht sein, ich kenne auch andere Erfahrungsberichte.

Inzwischen war ich noch einmal in Indien zum Arbeiten und habe vor Ort den Grundstein für die Personalabteilung gelegt. Das war eine tolle Erfahrung mit netten Kollegen, die ich auf keinen Fall missen möchte.

Hast Du schon einmal im Ausland gearbeitet? Welche Tipps hast Du?
Bevor ich es vergesse, denke daran, dass Deine Grenzen nur im Kopf existieren.
 
Dir hat der Beitrag gefallen? Dann teile ihn doch mit deinen Freunden