Das mit der Gelassenheit ist so eine Sache. Mir geht es zumindest so, dass ich auf Reisen viel gelassener war als in Deutschland.

Ein paar Beispiele gefällig? Gern.
Deutschland: Ich regte mich auf, weil sich jemand bei der Kasse vorgedrängelt hat, mir die Vorfahrt genommen wurde, die S-Bahn mal wieder zu spät kam, das Essen im Restaurant ewig gebraucht hat usw. Ich denke, Du kennst diese und andere Situationen, in denen uns allen gerne mal der Kragen platzt.

Ausland: Der Bus hat Motorschaden und kommt 6 Stunden später an als geplant, das Essen im Restaurant dauert ewig, die Einheimischen drängeln sich am Schalter vor, der Taxifahrer verlangt einen unverschämten Preis, der Eintritt kostet für Ausländer das drei- bis zehnfache des Preises für Einheimische, die Hotelbuchung hat nicht geklappt.

Gelassen unterwegs

Warum habe ich mich eigentlich im Ausland anders, eben gelassener, verhalten, wenn die Situationen manchmal deutlich ärgerlicher sind als Zuhause?

Nein, das hat nichts damit zu tun, dass die buddhistische Aura auf Sri Lanka einen positiven Einfluss hat (wobei…) oder ich in Nepal das Ommmm verinnerlicht habe. Es hat einfach etwas damit zu tun, dass mir da klar war, dass es nichts bringt, mich aufzuregen.

Dazu kommt in Asien noch der Umstand, dass sich dort niemand in der Öffentlichkeit aufregt. Das würde Gesichtsverlust bedeuten und das ist so ungefähr das Schlimmste, was einem dort passieren kann. Gilt für Ausländer ebenso. Wenn eine weiße Nase austickt, dann kapiert das kein Mensch und Du erntest bestenfalls mitleidiges Kopfschütteln oder ein bedauerndes Lächeln. Die Situation ändert sich deshalb nicht.

Und das ist genau der Knackpunkt: Die Situation ändert sich nicht.
Der Motorschaden wird auch nicht schneller behoben, wenn ich herummotze, die Eintrittspreise werden nicht verändert, auch wenn ich einen auf HB-Männchen mache und wenn das Hotel voll ist, dann beißt die Maus auch da keinen Faden ab. Ich kann an der Situation nichts ändern.

Und das habe ich dann auch irgendwann einmal kapiert und diese Erkenntnis mitgenommen.

Lotus

Gelassen auch Zuhause

Wenn jetzt eine Situation ist, die mich früher aufgeregt hätte, überlege ich mir zunächst:
Kann ich etwas ändern?

Wenn ja, dann ändere ich es: Wenn das Essen ewig nicht kommt und nach der zweiter oder dritten Nachfrage immer noch nicht da ist, gehe ich. Wenn sich jemand vordrängelt, dann spreche ich den Menschen an.

Solange Du es in der Hand hast, eine Situation zu ändern und Dich lieber aufregst, statt etwas zu tun, dann, tut mir leid, bist Du selbst schuld an Deinem Ärger. Nicht motzen, was dagegen tun ist die Devise.

Wenn ich die Situation nicht ändern kann, dann versuche ich das Beste daraus zu machen. Weder kommt die S-Bahn schneller, wenn ich mich aufrege noch wird der Motor deshalb schneller repariert.
Ich kann in diesen Situationen etwas lesen, Podcasts hören, mich mit den Mitreisenden unterhalten oder einfach mir ein wenig die Beine vertreten.

Die Situation zu akzeptieren, so wie sie ist, ist sicher nicht einfach. Aber ganz ehrlich, was bleibt Dir viel anderes übrig? Du kannst Dich für nichts und wieder nichts aufregen oder Dich in Gelassenheit üben.

Und genau das ist mein Tipp: Du musst kein wochenlanges Meditationsretreat machen, um gelassener zu werden. Versuche die Situationen im Alltag, die Du nicht ändern kannst, anzunehmen, tief durchzuatmen und das Beste daraus zu machen.

Aber ab und an mal so richtig auf den Vordermann schimpfen, der mir gerade die Vorfahrt genommen hat, tut gut und dient genauso meinem seelischen Gleichgewicht. Sollte nur kein Dauerzustand sein.

Immer nur gelassen sein, davon bin ich auch etwas entfernt, aber schon deutlich näher als vor ein paar Jahren.

Jetzt Du: Wie gelassen bist Du im Alltag? Was bringt Dich auf die Palme und wie kommst Du wieder runter?
Und bevor ich es vergesse, sei freundlich zu Dir!
 
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