Zur Zeit ist Indien gerade mal wieder negativ in den Schlagzeilen. Ich weiß nicht, ob es in der letzten Zeit gefährlicher geworden ist, als Frau alleine durch Indien zu reisen oder ob einfach nur die Aufmerksamkeit der Medien stärker, die Sensibilität in Indien und im Ausland größer geworden ist, aber Gewalt gegen (meist einheimische, aber inzwischen auch ausländische) Frauen ist zur Zeit ein Thema. Wenn Du nach Indien reisen möchtest und durch die Berichterstattung verunsichert bist, kann ich das gut verstehen. Ich war April/Mai 2013 selbst 2 Monate im Land, habe dort in Pune gearbeitet und bin auch herumgereist. Das war mein dritter Aufenthalt in Indien und ich denke, ich kann Dir ein paar Tipps geben, damit Du Dich sicherer fühlst und vielleicht unangenehme Situationen vermeiden kannst. Eine 100%ige Sicherheit kann Dir aber niemand geben, das ist klar.

1. Höre auf Dein Bauchgefühl

Wenn Du Dich in einer Situation, einen Hostel oder wo auch immer unwohl fühlst, höre auf Deinen Bauch und versuche, möglichst unauffällig Dich aus der Situation zu ziehen. Werde im Zweifel laut, wende Dich an Frauen oder ältere Menschen und bitte sie um Unterstützung.

2. Sei selbstbewusst und nicht zu freundlich

Die wenigsten Männer würden eine fremde indische Frau ansprechen, warum sollten sie sich bei Dir diese Freiheit nehmen? Kaum eine Inderin ist im Normalfall freundlich zu fremden Männern, denn das wird oft genug als Aufforderung zu weiterer (unangemessener) Kontaktaufnahme gesehen. Das gilt auch für direkten Augenkontakt und anlächeln, selbst die Hand geben kann missverstanden werden oder im Extremfall auch schon das Ansprechen. Orientiere Dich am Verhalten der Inderinnen, dann liegst Du schon ganz gut. Sonnenbrillen helfen auch dabei, Distanz zu schaffen.
Dein Verhalten wird nicht als unfreundlich angesehen, auch wenn Du vielleicht genau das zu hören bekommst (das soll Dich aus der Reserve locken, nicht darauf eingehen) sondern es ist angemessen und entspricht dem, was üblich ist. Ich weiß, das ist komisch, wird uns doch in unserer Kultur beigebracht, immer lieb und nett und höflich zu sein. Vergiss das, wenn Du in Indien unterwegs bist, sei distanziert und vermeide jeden Körperkontakt. Auf die Art und Weise verschaffst Du Dir Respekt.

Wenn es geht, vermeide es, fremde Männer anzusprechen, denn das macht keine Inderin (Ausnahmen bestätigen die Regel und klar, Du musst ja was zu essen bestellen oder Dein Zimmer buchen können). Wenn es sein muss, weil Du z.B. nach dem Weg fragen musst, dann frage gut angezogene Frauen, denn da ist die Chance groß, dass sie Englisch können oder frage in einem Laden. Wenn Du jemand auf der Straße um Auskunft bittest, dann sprich ältere Menschen respektvoll an.

Vermeide es, Dich selbst mit zerissener oder für indische Verhältnisse zu freizügiger Kleidung herabzusetzen. Ich hatte den Eindruck, dass in manchen Köpfen durch westliche Filme und Serien ein komisches Bild von westlichen Frauen herrscht. Durch entsprechend distanziertes und ja, arrogantes Verhalten, tust Du Dir eigentlich einen Gefallen und entsprichst dann eben nicht dem Klischee.

Angestarrt wirst Du meist sowieso, aber das ist oft auch einfach reine Neugier, denn es ist trotz des westlichen Einflusses immer noch unüblich, dass Frauen allein unterwegs sind.

3. Sei abends nicht allein unterwegs

Wenn Du abends unterwegs bist, nimm Dir für den Heimweg eine Motorrikscha oder ein Taxi, vor allem, wenn Dein Weg durch ruhige, dunkle Straßen geht. Eine weiße Frau nachts allein, das kann falsch aufgefasst werden. Lass Dich nicht anquatschen und eine Begleitung aufdrängen.

4. Was Du anziehen solltest und was nicht – Die Klamottenfrage

Mein Tipp: Wenn Du nicht gerade einen Strandurlaub planst, lass Tank Tops und Shorts Zuhause. Alles, was locker fällt, mindestens Knie und Oberarme bedeckt, ist ok. Lass Dich nicht von Bollywood-Filmen oder Bildern aus Clubs in Mumbai oder Delhi dazu verführen, in knappen Outfits durch Indien zu reisen. Ja, die Mädels in den Clubs haben superknappe Teile an und sehen richtig sexy aus, aber sie sind mit ihrer Clique unterwegs und/oder vor dem Club wartet ein angestellter Chauffeur auf sie, der sie sicher nach Hause bringt, auf Dich nicht.

Achte darauf, dass Deine Klamotten sauber und ordentlich sind. Selbst die Ärmsten wirst Du kaum mit schmutziger oder kaputter Kleidung sehen und Du hast sicher mehr Geld als sie. Achte auf Dein Äußeres, das verschafft Dir Respekt.

5. Plane Deine Ausflüge

Es gibt oft die Möglichkeit, sich mit anderen zusammenzutun oder vor Ort einen Ausflug mit einer Agentur zu organisieren. Wenn es mal nicht möglich ist, dann lass Dir einen Fahrer vom Hotel organisieren. Ich hatte zumindest ein besseres Gefühl dabei als für eine Ganztagestour außerhalb mir jemand von der Straße anzuheuern.

Wenn Du einen Ausflug planst, kannst Du Dich in Deiner Unterkunft umhören, ob Dir eine andere Frau einen Fahrer empfehlen kann. Vielleicht findest Du auch auf diese Weise eine Reisegefährtin und wenn es nur für ein paar Tage ist.

6. Nutze den „Frauen-Bonus“ bei öffentlichen Verkehrsmitteln

Meist gibt es Schalter nur für Frauen, nutze sie. Die Schlange ist dort meist kürzer und Du hast Deine Ruhe. Oft gibt es in den Bussen und Zügen Sitze oder Abteile, die für Frauen reserviert sind. Das macht das Reisen herrlich entspannt und Du kommst mit anderen Frauen in Kontakt. Die meisten sprechen Englisch und meine Zugfahrt von Delhi nach Chennai wurde so zu einem unvergesslichen Erlebnis!

Dass Du von Fremden kein Essen und keine Getränke annehmen solltest (vor allem nicht von Männern) versteht sich von selbst. In einem ladies compartment, wenn die Frauen selbst davon essen, hätte ich aber wenig Bedenken.

7. Gehe gelassen mit Eve Teasing um

Darunter leiden auch dir Inderinnen, dem Begrabscht werden im Gedränge. Das war schon 1996 (!) ein Thema in den lokalen Zeitungen, ist also wirklich nichts Neues. Wenn Du eindeutig den Täter ausmachst, dann gehe verbal gezielt auf ihn los. Aber im Gedränge tatsächlich den Übeltäter zu erkennen, eigentlich chancenlos.

Wenn es in einer Menschenmenge passiert, dann bleibt Dir außer lautem Herumschimpfen kaum eine Möglichkeit. Ist Mist, ist aber leider so und passiert den meisten, mir auch am Bahnhof in Old Delhi. Solange nichts anderes passiert, so what…und ändern kannst Du es eh nicht.

8. Doch nicht allein fahren? Welche Möglichkeiten hast Du?

Wenn Du immer noch Bedenken hast, aber trotzdem nach Indien fahren willst, dann fahre nicht allein. Ok, in Deinem Umfeld hat niemand Zeit oder Lust? Dann gibt es noch die Möglichkeiten:

  • Fahre mit einem Veranstalter: es muss ja nicht zwingend so sein, dass Du nur mit der Gruppe unterwegs bist und keinen Freiraum hast, überall nur durchgescheucht wirst und der  Tag völlig durchgetaktet ist. Es gibt auch Veranstalter, die nur für den groben Rahmen sorgen, also für Transport und Unterkunft und Dir Anregungen geben, was Du machen kannst. Das hat den Vorteil, dass Du doch in Deiner Tagesplanung frei bist, Dich aber nicht darum kümmern musst, wie Du von A nach B kommst. Die Menschen, die solche Veranstalter wählen, sind meist auch recht unkompliziert, so dass sich meist immer jemand findet, mit dem man gut kann und den Tag gemeinsam verbringen mag.
  • Du suchst Dir über ein Forum eine andere Frau zun Mitreisen. Viele Reiseseiten haben Foren, die meist nach Ländern sortiert sind. Warum mal nicht da nachfragen, ob eine andere Frau auch Lust hätte, mit Dir zu verreisen? Ich muss ehrlich gestehen, ich habe von dieser Möglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht, aber vielleicht ist es für Dich eine Überlegung wert.
  • Um überhaupt mal auszutesten, ob Du mit der Mentalität zurecht kommst, wäre es eine Option, nach Südindien zu reisen. Dort sind meiner Erfahrung nach die Menschen noch freundlicher und das Reisen entspannter. Wenn Du dort gut zurecht kommst, hast Du schon die ersten Erfahrungen auf dem Subkontinent gemacht und kannst Dir überlegen, ob Du wiederkommen willst.

 9. Nimm ein wenig mehr Geld in die Hand als vielleicht geplant

Ich würde Dir raten, nicht ganz low budget zu reisen und etwas mehr Geld auszugeben, wenn es für Dich machbar ist. Wenn Du etwas bessere Unterkünfte auswählst oder beim Zug eine bessere Klasse und dann ein ladies compartment, dann habe ich zumindest den Eindruck gehabt, dass es sicherer ist. Ok, es kostet mehr, aber so viel mehr ist der Aufpreis auch nicht und wenn Du Dir überlegst, wie viel Du für Dein Ticket gezahlt hast, dann machen die paar Rupien dann auch nicht viel aus. Es muss ja nicht gleich der Limousinen-Service sein und ein Maharadscha-Palast sein, aber auch nicht das günstigste Hostel, in dem die Tür aus den Angeln fällt, wenn man sie scharf anschaut.

10. Prüfe, ob Dein Zimmer sicher ist

Viele Zimmer kann man von innen verriegeln. Achte darauf, ob die Tür einen Riegel hat und ob der auch funktioniert. Manche sind verzogen und lassen sich nicht benutzen, manche funktionieren dagegen gut. Teste es!

11. Manchmal kann auch etwas flunkern helfen

Manche schwören auf den falschen Ehering, um Männer auf Abstand zu halten. Ich habe unterschiedliches gehört, manche Frauen haben damit gute Erfahrungen gemacht. Ich persönlich muss zugeben, ich habe keinen Unterschied zu vorher gemerkt, als ich mit einem echten Ehering unterwegs war.
Eine andere Möglichkeit ist zu erzählen, dass der Ehemann geschäftlich gerade in Indien ist und arbeitet, während man selbst sich etwas die Zeit vertreibt. Lasst einfach auch eurer Phantasie freien Lauf.

12. Werde nicht paranoid, bleib aber wachsam

Ich bin sicher, wenn Du die Verhaltenstipps beherzigst, dann kannst Du bestimmt manch unangenehme Situation vermeiden. Beachte aber bitte, dass es keine 100%ige Sicherheit gibt, noch nicht einmal bei Dir Zuhause. Das soll Dich nicht entmutigen, sondern Dich nur daran erinnern, dass überall was passieren kann. Hör auf Deinen Bauch, lass Deinen gesunden Menschenverstand nicht zu Hause und mache Dich mit dem Land uns seiner Kultur vertraut, dann hast Du alles dafür getan, dass Deine Reise so wird, wie Du es Dir wünschst.

Als Einstiegslektüre kann ich folgendes Buch (Werbung) empfehlen:
Darin findest Du viel Wissenswertes über Kultur, Moralvorstellungen, Anstandsregeln, Umgangsformen, soziale und religiöse Hintergründe und die Denk- und Verhaltensweisen der Inder. Ich habe mir das Buch damals für meine erste Reise nach Indien gekauft und kann es wirklich empfehlen.

Fehlt Dir noch was, hast Du Fragen oder Anmerkungen? Dann hinterlasse einen Kommentar.
Bevor ich es vergesse, denke daran, dass Deine Grenzen nur im Kopf existieren.

 

 
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