Ok, ich gebe zu, ich bin meiner Zeit voraus, denn das Lutherjahr ist eigentlich 2017, denn am 31.10.1517 hämmerte Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg. Aber große Ereignisse werfen ja bekanntlich ihre Schatten voraus und daher warte ich mit diesem Post nicht erst bis zum nächsten Jahr und erzähle dir heute schon von meinem historisch angehauchten Roadtrip durch das Allgäu.
Der Reformator hat nämlich nicht nur in Wittenberg seine Spuren hinterlassen, sondern auch in Süddeutschland.
Wenn man sich so die Geschichten der Städte und der Menschen anschaut, da war ich dann doch überrascht, dass es ja noch bis in die Neuzeit ziemlichen Einfluss hat, ob Du nun katholisch oder evangelisch bist. Und manchmal hatte ich den Eindruck, dass irgendwie jede andere Religion besser wäre als die „falsche“ christliche. Aber egal, ich werde mich jetzt hier lieber zurückhalten und erzähle Dir lieber, wie ich im Allgäu in die Geschichte eingetaucht bin.
1. Kempten
Kempten hat eigentlich eine ganz interessante Geschichte, denn die Stadt war evangelische Reichsstadt und katholische Stiftsstadt.
Mit den unglaublich prunkvollen Räumen in der Residenz haben die Fürstäbte ein Zeichen nach der Reformation gesetzt. Natürlich war das auch ein Wirtschaftsmotor nach dem Dreißigjährigen Krieg, denn der Bau gab vielen Menschen Lohn und Brot. Aber ihnen sollte auch etwas geboten werden. Prunk und Pracht statt reformierten Minimalismus, prächtige Riten statt sparsamen Kirchenausstattungen. So sollte schon der einfache Mensch einen Eindruck vom künftigen Himmelreich bekommen. Und da glaubt man eher dem, der jetzt schon auf Erden einiges an Pomp zu bieten hat, so zumindest der damalige Denkansatz der Gegenreformatoren.
Wenn Du also in Kempten bist, dann solltest Du es nicht versäumen, die Residenz zu besichtigen. Die Räume sind wirklich prächtig, aber katholisch hin oder her, ich fand es bemerkenswert, dass die Engel die Elemente repräsentieren oder Du auch zahlreiche griechische Götter neben alttestamentarischen Gemälden siehst.
Was mich besonders beeindruckt hat waren die Stuckarbeiten. Ich wusste auch nicht, dass hier tatsächlich Stoff in den Gips getaucht und dann bemalt wurde. Kein Wunder, dass die Faltenwürfe so realistisch sind, denn es ist ja auch wirklich Stoff. Und auch der künstliche Marmor war beeindruckend. Die ganzen Wandverkleidungen sind eben nicht aus Marmor, sondern aus gefärbten „Marmorteig“. Wahnsinn, was sich die Künstler haben alles einfallen lassen.
In unmittelbarer Nähe der Residenz steht die im Inneren eher schlicht gehaltene St. Mang-Kirche.
Die frühere gotische Kirche war einmal prächtig ausgeschmückt gewesen , aber die evangelischen Kirchenoberen haben alles mit einer dicken Schicht Putz zugespachtelt, damit die Menschen nicht beim Beten abgelenkt werden. Naja… Im Altarraum sieht man noch an der Decke ein wenig von der Pracht. Ich finde es schade, denn ich mag die schönen gotischen Kirchen und wenn ich mich an die prächtig ausgemalten orthodoxen Kirchen auf dem Balkan erinnere, dann ist das durchaus beeindruckend. Selbst Luther war das zu viel, aber der Einfluss des strengen Reformators Zwingli hat hier die Menschen die Kunstwerke zerstören lassen.
Immerhin hat die Kirche einen tollen geschnitzten Altar, der älter aussieht, als er tatsächlich ist. Für die Weltausstellung in Chicago 1893 wurde der Altar im Stil Riemenschneiders (15. Jhdt.) nachgeschnitzt, aber das ändert nichts daran, dass es eine großartige handwerkliche Arbeit ist.
Spannend fand ich auch den kleinen Pavillon auf dem Platz, der den Heiligen Magnus zeigt. Um ihn herum sitzen vier ja, was eigentlich, Jungen auf Tieren, davon einer auf einem Einhorn. Sie symbolisieren auch wie schon die Engel in der Residenz die vier Elemente und das zeigt sich an ihren Füßen. So hat der Bursche, der das Wasser darstellt, einen Fischschwanz statt Füßen, der die Luft darstellt, Vogelkrallen und der das Feuer repräsentiert Bockbeine.
Was mir besonders gefallen hat, war die Erasmus-Kapelle, vor der St. Mag-Kirche.
Diese Kapelle hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die in einer kurzweiligen Multimedia-Show gezeigt wird. Sie liegt unter dem St. Mang-Platz auf dem Gebiet des alten Friedhofs, war Kapelle, Beinhaus, Weinstube und Bunker. Einige der alten Grabbeigaben sind dort auch ausgestellte genauso wie Du auch einige der alten Gebeine und Schädel siehst, die im Osten der Kapelle ihre letzte Ruhe mehr oder weniger gefunden haben. Aber allein schon die Aufbereitung der Geschichte und die Atmosphäre in dem alten Gemäuer ist einen Besuch wert.
Ansonsten ist Kempten eine nette Stadt mit einer schönen Altstadt, vielen Cafes in der Fußgängerzone und wenn Du Dich für Geschichte und die alten Römer interessierst, dann solltest Du Dir auch den archäologischen Park von Cambodunum nicht entgehen lassen.
2. Isny
Ganz ehrlich, auf Isny habe ich mich besonders gefreut, denn ich war ja schon letzten Dezember hier auf dem Weihnachtsmarkt.
Isny ist so eine schöne kleine mittelalterliche Stadt und ich habe mich da durchaus ein wenig verliebt. Ein Highlight konnte ich im letzten Jahr nicht besuchen, das war die Predigerbibliothek der Nikolai-Kirche.
Ich muss zugeben, damit und mit den Wallensteinfestspielen hatten mich die Organisatoren dieser Tour am Haken, denn ich finde alte Bibliotheken einfach faszinierend.
Meine Erwartungen wurden auch nicht enttäuscht, denn die winzige Bibliothek ist wirklich einmalig.
Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert und hat rund 1800 alte Schriften, teilweise sind es auch noch Handschriften. Gern werden die Schmuckstücke gezeigt, natürlich nur mit Handschuhen. Die Bibliothek selbst ist auch toll ausgemalt und wurde auch nie zerstört oder geplündert. Der Bestand ist immer noch derselbe wie vor 500 Jahren.
Wenn Du Dir die Predigerbibliothek anschauen willst, dann ist das ab Ostern bis zum Reformationstag jeden Mittwoch um 10:30 möglich.
Und noch ein Tipp für Isny (ganz davon abgesehen, dass die Stadt wirklich schnuckelig ist!): 2017 ist ja Lutherjahr und die Reformation und Gegenreformation hat die Stadt schon sehr geprägt.
Für dieses Jubiläum haben sich die Isnyer auch etwas Besonderes einfallen lassen, nämlich eine szenische Stadtführung unter dem Motto „Von Recht- und Wüstgläubigen“. Nachtwächter, Hexen- und sonstige historische Führungen gibt es ja etliche, aber in Isny ist das schon fast eine Theateraufführung an fünf verschiedenen Orten in der Stadt mit 14 Akteuren, alles Laien aus der Stadt selbst.
Ich durfte mir jetzt schon die erste Szene in der Ölbergkapelle anschauen, die sonst auch nicht zugänglich ist und muss sagen, es war toll und die ganze Führung ist sicher wirklich sehenswert.
Ab Ostermontag (17.07.2017) bis zum 28.10.2017 finden die Führungen jeden ersten Samstag im Monat um 10 und 12 Uhr statt.
3. Memmingen
In Memmingen finden 2016 die zehnten Wallensteinspiele mit 4500 Darstellern statt. Am Sonntag (24.07.) war der große Einzug, am nächsten Sonntag (31.07.) ist das Spektakel schon wieder vorbei und endet wieder mit einem Umzug durch die Altstadt.
Wenn Du kein Ticket für eine Tribüne hast, dann sei rechtzeitig da und nimm Dir auch ausreichend Wasser mit, denn der Einzug geht schon so etwa 2 Stunden. Wenn es heiß ist, dann wirst Du das Wasser auch wirklich brauchen.
Nach dem Einzug findet das Lagerleben an unterschiedlichen Plätzen der Altstadt statt. Viele Memminger nehmen sich auch tatsächlich eine Woche frei, um in die Vergangenheit einzutauchen.
Verhungern und verdursten wirst Du sicher nicht, denn es gibt mehr als genug Buden, dir Dir etwas leckeres zu Essen verkaufen.
Die nächsten Wallensteinspiele finden dann wieder 2020 statt.
Memmingen selbst hat auch eine schöne Altstadt mit einem beeindruckenden Rathaus und einem großen Platz davor. Das Besondere an diesem Rathausplatz ist, dass je nachdem von welcher Seite Du ihn betrittst, er sich ganz anders darstellt. Manche Häuser scheinen ganz zu verschwinden, während andere sich geradezu in den Vordergrund drängen. Spannend, das Spiel mit den Perspektiven…
Auch wenn Du kein großer Kirchgänger bist, die Frauenkirche solltest Du Dir in jedem Fall ansehen, denn sie ist wunderschön innen mit Fresken bemalt. Vielleicht findest Du auch das Einhorn im Inneren der Kirche. Eines steht vor der Kirche und eines ist im Maienzyklus dargestellt.
In Memmingen wurde übrigens die Zwölf Artikel verfasst, die Forderungen der Bauern aus 1525, die eigentlich die ersten Menschen- und Freiheitsrechte darstellen und z.B. die Abschaffung der Leibeigenschaft fordern.
Gerade wenn die Wallensteinspiele sind, dann wird die Geschichte so richtig greifbar und Du kannst auch tatsächlich ins 16 Jahrhundert eintauchen.
Alles in allem findest Du viel Geschichte in der Stadt, aber auch nette Cafes und Restaurants und gerade am Stadtbach sitzen und dem Wasser zu hören hat viel Flair.
4. Mindelheim
Auch wenn die Stadt katholisch geprägt ist, wird es im Lutherjahr 2017 einige Veranstaltungen zum Jubiläum der Reformation geben, denn Luther hat mit großer Wahrscheinlichkeit hier auf seiner Rückreise von Rom 1511 hier übernachtet. Für ihn als Augustinermönch war es üblich, in Augustinerklöstern zu übernachten und dort auch eine Messe zu lesen.
In Mindelheim selbst gibt es neben der netten Altstadt auch eine kleine Gefängniszelle aus dem Mittelalter zu sehen.
Für Modebewusste lohnt sich sicher auch ein Besuch des gerade wieder am 01.07.2016 eröffneten Textilmuseums, wo Du Dich über Mode im Wandel der Jahrhunderte, die Stoffe und das Schneiderhandwerk informieren kannst.
5. Augsburg
Augsburg ist untrennbar mit den Fuggern verbunden, aber bei meinem Besuch habe ich die Fuggerei bewusst ausgelassen.
Stattdessen war ich ein wenig in der Altstadt unterwegs und da gibt es auch schon genug zu entdecken.
In der evangelischen Hauptkirche St. Anna gibt es eine Besonderheit, die katholische Grabkapelle der Fugger. Darüber hinaus werden in der Lutherstiege multimedial die wichtigsten Kapitel der Reformation präsentiert.
Auch hier kannst Du Jakob Fugger bei einer Stadtführung begegnen genauso wie einem Mönch, der die Gespräche zwischen Luther und dem päpstlichen Kurienkardinal Cajetan mit Handpuppen nachstellt.
Nach den Gesprächen ist Luther übrigens in einer Nacht-und Nebelaktion aus Augsburg geflüchtet, denn er wollte dem Ketzerprozess und dem Scheiterhaufen entgehen. Aber streitbar wie er war, hat er vorher nochmal seine Rechtfertigung und seinen Widerspruch gegen den Ketzerprozess an die Türen des Domes geschlagen.
Diese Gespräche fanden im Fuggerpalast 1518 statt und wenn es Dir zu viel Geschichte wird, dann kannst Du im Damenhof gleich nebenan bei einem schönen Cappuccino entspannen. In diesem Innenhof im Stil der Renaissance fühlst Du Dich wie in Italien, garantiert!
So gestärkt kann es dann weitergehen. Die Altstadt bietet neben den Prachtstraßen und dem gerade mit einer Scheinfassade verhüllten Rathaus malerische Gassen und nette Ecken, sogar auch einen kleinen Bach im ehemaligen Handwerkerviertel.
Das Rathaus kannst Du Dir übrigens auch von hinten anschauen, da sieht es ähnlich schick aus wie von vorne.
Ein Museum will ich Dir noch ans Herz legen, das frisch eröffnete Fugger Welser Erlebnismuseum. Dort tauchst Du ganz interaktiv in die Zeit des Mittelalters ein und bekommst einen guten Eindruck über die ersten Global Player Deutschlands. Das Imperium der beiden Handelsfamilien hatte Ausdehnungen, die gerade zu der Zeit fast weltumspannend waren. Du erfährst, auf was sich der Reichtum gründete und bekommst einen guten Eindruck über die Lebensweise der Händler im 16. Jahrhundert.
Organisatorisches
Auch wenn die gesamte Region grundsätzlich gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen ist, kommst Du z.B. nach Isny nur sehr umständlich mit dem Bus, denn die Stadt hat keinen Bahnhof.
Einen kleinen Roadtrip durch das Allgäu machst Du daher am besten mit dem Auto. Die Entfernungen sind nicht allzu lang und mit den Parkplätzen sieht es auch ganz gut aus, wenn Du nicht gerade in Memmingen einen Parkplatz kurz vor dem Einzug von Wallenstein suchst.
Hotels gibt es natürlich unzählige, denn es ist eine beliebte Feriengegend.
In Kempten habe ich im „Bayerischen Hof“ übernachtet. Das Hotel liegt nur einen Katzensprung von der Altstadt entfernt und Du kannst bequem alles zu Fuß erreichen.
Mein Zimmer war nicht gerade groß, aber es war alles da, was man so braucht, inklusive gutem WLAN.
Das Restaurant hat auch eine leckere Küche und das Frühstücksbuffet ist ebenfalls reichhaltig.
In Mindelheim habe ich in der „Alten Post“ geschlafen. Das Hotel liegt direkt in der Altstadt und hat auch hinter´m Haus einen Parkplatz. Auch hier gibt es kostenloses WLAN und die übliche Ausstattung. Mit einem kleinen Sofa und Tisch war das Zimmer schon deutlich größer als in Kempten.
Und jetzt Du! Welche Tipps hast Du für die Region? Ich freue mich auf Deinen Kommentar!
Bevor ich es vergesse, denke daran, dass Deine Grenzen nur im Kopf existieren.
{Offenlegung: Zu dieser Reise wurde ich von der Allgäu GmbH eingeladen. Auf meinen Bericht hatte das keinen Einfluss und ich gebe meine persönlichen Eindrücke wieder. Vielen Dank dafür! Auf meinen Bericht hat das keinen Einfluss und mir wurden auch keine Vorgaben hinsichtlich des Inhalts gemacht.}
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